TRAINING


Trainingsgrundsätze

Ewige Läufer-Regeln

So wenden Sie Trainingsgrundsätze auf ihren individuellen Leistungsstand und Ihre persönlichen Ziele an.

                          Ewige Regeln    

Laufen ist ja an sich nichts Kompliziertes. Einen Fuß vor den anderen setzen kann schließlich jeder. Aber einen effektiven Trainingsplan zusammenzustellen, mit dem man seine Leistungsfähig­keit verbessern kann, ist dann doch nicht so leicht. Da drängen die Läuferfragen des Alltags: Wie viele Kilometer müssen es sein? In welchem Tempo soll man laufen? Wie war das noch mal mit Belastung und Erholung? Und wie viel ist zu viel?

Die Tatsache, dass jeder Mensch einzig­artig ist und dies auch auf Läufer zutrifft, macht das Ganze nicht gerade einfacher, denn während der eine Athlet bei mehr als 70 Kilometer Laufumfang pro Woche ständig verletzt ist, braucht der andere sogar noch mehr, um in Bestform zu kommen. Solche Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Einen konkreten Plan, der für manche Läufer ideal ist, kann man also nicht einfach kopieren, sondern muss ihn auf seine eigenen Stärken und Schwächen „umstricken“. Aber wie?

Glücklicherweise gibt es Trainings­grundsätze, die unabhängig von den individuellen Belangen für alle Läufer gleichermaßen gelten, egal ob Sie schnell oder langsam sind, für einen Marathon trainieren oder nur zum Spaß laufen. Diese Regeln wurden von diver­sen Trainern und Läufern über Jahrzehnte erfolgreich erprobt und helfen Ihnen zumindest, Ihre individuellen Fähigkeiten zu ermitteln und unterstützen Sie dabei, motiviert, gesund und leistungsstark zu werden, beziehungsweise zu bleiben.

                 1. Nur das Mindeste tun

                      (das aber Wirklich)



Verbessert sich das Laufpensum auf 40 Laufkilometer pro Woche, stellt sich schnell die Frage: Warum nicht mit doppelt so viel Training den doppelten Erfolg versuchen? Richtig? Nicht ganz. Erfolgreich trainieren bedeutet nicht, so viele Kilometer wie möglich zu laufen. Es bedeutet, die individuelle Balance zu finden – hinsichtlich der Kilometerumfänge, der Anzahl an Trainingstagen pro Woche und der Intensitäten. Gerade so, dass Sie gefordert sind, aber nicht überfordert. Tim Noakes beschreibt dies in seinem Laufbuchklassiker „The Lore of Running“ als „individuelle Belastungsschwelle“. Beim einen Läufer liegt diese bei 90 Kilometern pro Woche, auf sechs Einheiten und einige Tempodauerläufe verteilt, beim anderen bei 40 Kilo­metern an vier Tagen, mit der Konzen­tration auf kurze, scharfe Tempoprogramme.

Wie umsetzen?
Experimentieren Sie mit unter­schiedlichen Kilometerumfängen. Ziehen Sie den Umfang ruhig auch mal extrem hoch, nehmen Sie dann wieder einen Gang raus und warten Sie ab, wie es Ihnen geht, ob Sie zum Beispiel weiterhin so schnelle Programme machen können wie zuvor, oder sogar noch schneller werden. Trainieren Sie nur zweimal pro Woche, dann versuchen Sie, mindestens ­einen, eventuell sogar einen zweiten Tag pro Woche draufzupacken und beobachten Sie aufmerksam, wie Sie sich danach fühlen und ob sich Ihre Leistungsstärke entwickelt.

                    2. Konsequent bleiben

Erfolgreiche Coaches antworten auf die Fragen, was das Wichtigste beim Trainieren ist: „Konsequenz“. „Einmal laufen (pro Woche) ist keinmal laufen“ lautet denn auch der Lieblingsspruch des RUNNER’S-WORLD-Trainingsexperten Martin Grüning. Das­selbe gilt für ­einen Wochenzyklus: Eine Woche täglich superhart trainieren und in der folgenden Woche gar nicht, das bringt nichts, ja es ist sogar kontraproduktiv. Schneller wird nur, wer regel­mäßig läuft. „Konsequenz“ bedeutet nicht, dass Sie täglich rennen müssen, aber wer seine Leistungsfähigkeit steigern will, sollte seinen Körper mindestens alle 72 Stunden belasten. Dennoch macht es durchaus Sinn, in einigen Monaten des Jahres konsequenter zu sein als in anderen, denn natürlich brauchen Kopf und Körper auch Ruhepausen, um neue Motivation und Kraft zu tanken.

Wie umsetzen?
Legen Sie ein minimales Laufpensum fest, das Sie in Ihrer Wochenplanung auf jeden Fall berücksichtigen können und wollen. Sinnvoll wären beispielsweise mindestens 30 Minuten alle drei Tage. Unser Tipp: ­Laufen Sie in Stresswochen möglichst morgens, damit es über den Tag keine Möglichkeit gibt, das Laufen aufzuschieben. Legen Sie sich aber auch einen Plan B zurecht, falls Sie ganz unerwartet doch plötzlich Zeit für ein zusätzliches Lauftraining pro Woche finden sollten.

   3. Zwischen Belastung und Erhohlung wechseln

Stellen Sie sich vor, Sie laufen an einem Tag so schnell Sie können. Und am nächsten wieder. Und am übernächsten. Und immer so weiter. Eins ist sicher: Irgend­wann können Sie dann gar nicht mehr laufen. Dieses Beispiel nutzt der amerikanische Laufguru Jack Daniels gern, um die Bedeutung von Pausen in einem Trainingszyklus zu veranschaulichen. „Die körperliche Leistungsfähigkeit entwickelt sich in den Pausen“, sagt Daniels, „denn der Körper ist auch an ruhigen Lauftagen oder Ruhetagen beschäftigt: Er arbeitet daran, die Mikroverletzun­gen der Muskeln zu reparieren, die Energiedepots wieder aufzuladen, neue Blutzellen aufzubauen und überflüssige Stoffwechsel­endprodukte wie das Laktat zu entsorgen.“ Geben Sie Ihrem Körper keine Zeit zu regenerieren, so wird er früher oder später den Dienst verweigern. „Die besten Läufer“, sagt der ehemalige 2:09-Stunden-Marathon­läufer und Trainer Benji Durden, „sind die, die richtig hart trainieren, aber zwischendurch auch richtig relaxen können.“

Wie umsetzen?
Folgende Faustregeln gelten: 1. Zwischen zwei harten Belastungen muss mindestens ein Ruhetag liegen oder ein Tag, an dem Sie nur langsam traben. 2. Fitness- und Freizeitläufer, die nur zum Spaß laufen und nicht an Wettkämpfen teilnehmen, sollten mindestens zwei Ruhetage pro Woche einlegen. Engagierte und ambitionierte Läufer mit Wettkampfambitionen sollten mindestens einen Ruhetag pro Woche einlegen – wohlgemerkt: mindestens! 3. In jeder vierten Trainingswoche sollten Sie den Gesamtumfang um 30 Prozent zurückfahren. Einmal im Jahr sollte man dies sogar über vier bis sechs Wochen am Stück tun.

               4. Mit Höhen und Tiefen rechnen

Plötzlich ist ein Punkt in der Läuferkar­riere erreicht, da geht auf einmal alles wie von selbst: Sie drücken Ihre 10-Kilometer-Bestzeit um drei Minuten. Die 15-Kilometer-Runde, die Ihnen wegen der Hügel immer so schwer fiel, flutscht auf einmal wie nie zuvor. Beim langen Lauf ist Ihnen nicht langweilig, sondern Sie würden am liebsten noch eine Runde dranhängen. Aber so geht es leider nicht ewig weiter. Ihre Leistung wird wieder stagnieren. Das sollte ihnen aller­dings nicht den Spaß am Laufen ver­derben. Sie haben einfach ein höheres Leistungs­niveau erreicht und sofern Sie die Trainingsintensitäten auf diesem Level halten, können Sie sicher sein, dass Sie das Niveau auch halten werden. Bedenken Sie aber auch, dass die meisten von uns ihre größten Leistungsfortschritte zu Beginn ihres Läuferlebens machen (in den ersten 10 bis 15 Jahren). Je länger Sie laufen, desto kleiner werden die Leistungsfortschritte. Irgendwann stagniert die Leistung und geht eventuell sogar allmählich zurück. Das ist vor allem dem biologischen Alterungsprozess geschuldet. Mit dem siebten Lebensjahrzehnt wird es schwer, sich noch zu steigern, außer man hat erst im sechsten Jahrzehnt begonnen Sport zu treiben. In ­Ihrer Läuferkarriere ist es wie im richtigen Leben: Es geht auf und ab.

Wie umsetzen?
Versuchen Sie Ihrem Körper immer wieder neue Reize zu geben. Ein (erstes) Hügeltraining, längere Läufe, schnellere Intervalle oder ungewohnte Sprints sind Möglichkei­ten, das Leistungspotenzial ­Ihres Körpers zu testen und ihn aus der Reserve zu locken. Von nichts kommt nichts und ohne Veränderungen in Ihrem Training kommen Sie auch nicht zu einer neuen Bestzeit. Aber: Wenn nichts läuft und der Akku leer scheint, dann ist es eben auch mal an der Zeit zu regenerieren und die Trainingsumfänge zurückzuschrauben (siehe vorherige Regel).

                         5. Ruhe bewahren

Steigert man den Trainingsumfang und/oder die Intensität zu schnell, so wird man dadurch am Ende nicht schneller, sondern bloß müde (oder der Körper verweigert sich durch eine Verletzung). Der Organismus benötigt Zeit, um sich an höhere Belastungsreize zu gewöhnen, egal ob man ein Laufeinsteiger ist oder als Gewohnheitsläufer sein Pensum steigern möchte. Bedenken Sie, dass Sie auch in hohem Alter noch laufen können und nicht inner­halb eines halben Jahres alles aus sich herausholen müssen, was menschenmöglich ist. Laufen ist ein Sport fürs Leben. Wer einmal begonnen hat, regelmäßig zu laufen und dies länger als 30 Minuten am Stück problemlos kann, hört nie mehr damit auf. In der Ruhe liegt – gerade beim Ausdauersport Laufen – tatsächlich die Kraft.

Wie umsetzen?
Folgende Faustregeln gelten: 1. Steigern Sie Ihre wöchentlichen Laufumfänge nie um mehr als zehn Prozent. Das ist sicherlich nicht sonderlich viel und eventuell ginge auch mehr, aber üben Sie lieber Zurückhaltung. Und Vorsicht: Die zehn Prozent sollten sich nicht auf nur einen Trainingslauf in der Woche, sondern auf mehrere verteilen. 2. Vermeiden Sie es, Umfang und Intensitäten innerhalb ein und derselben Woche zu steigern. Steigern Sie in der einen ­Woche die Umfänge und erst in der folgenden Woche die Intensität – bei konstantem Umfang. 3. Bei Laufeinsteigern hat die Steigerung der Lauflänge Priorität vor der Steigerung des Lauftempos. Erst wenn Sie eine Stunde problemlos im Wohlfühltempo zurücklegen können, dürfen Sie beginnen, mit dem Tempo zu spielen.